Die Konferenz in La Hulpe wirft ihren Schatten voraus.

VS – 03/2024

Am 15. und 16. April veranstaltet die belgische Ratspräsidentschaft in La Hulpe eine hochrangige Konferenz zur Weiterentwicklung der europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR). Ziel ist, die zentralen sozialpolitischen Prioritäten für die nächste Legislaturperiode der EU zu formulieren. Die Arbeits- und Sozialminister haben im Vorfeld der Konferenz ihre Prioritäten für die Weiterentwicklung der ESSR formuliert.

Die „Säule“

Seit ihrer Proklamation im Jahr 2017 treibt die ESSR – die „Säule“ – die Fortentwicklung des Sozialen Europas voran. Sie ist die Grundlage vieler konkreter arbeitsmarkt-, sozial- und gesundheitspolitischen Vorhaben auf europäischer Ebene. Ihre 20 Grundsätze reichen vom Recht auf Chancengleichheit und einem gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt über faire Arbeitsbedingungen bis hin zum Sozialschutz und zur Inklusion. Diese bilden die Richtschnur für ein starkes, soziales Europa. Dabei ist die soziale Konvergenz nach oben als grundlegendes Ziel in der Säule verankert.

Die ESSR ist im Laufe der Zeit schrittweise weiterentwickelt worden. Heute werden Fortschritte in den gemeinsamen Grundsätzen durch ein Social Scoreboard abgebildet. Auf dem Sozialgipfel in Porto haben die Staats- und Regierungschefs im Mai 2021 ihr Bekenntnis zur Säule erneuert und konkrete sozialpolitische Ziele für die EU und Ihre Mitgliedstaaten bis 2030 beschlossen. Die Fortschritte bei der Zielerreichung, aber auch über alle Politikbereiche der Säule, werden im europäischen Semester überwacht. Grundlage hierfür ist der jährliche gemeinsame Beschäftigungsbericht.

Neue Herausforderungen

Seitdem es die Säule gibt, sind auch die sozialen Sicherungssysteme in Europa vor vielfältige neue Herausforderungen gestellt worden, so beispielsweise durch die Covid-19-Pandemie und die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Damit ist deren Resilienz, also ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber nicht vorhersehbaren externen Schocks, zu einem zentralen Thema geworden. Aber auch das Zusammenspiel mit wichtigen europäischen Politikzielen wie des europäischen Grünen Deals oder der Maßnahmen gegen den Klimawandel gilt es zu gestalten. Die Ratsempfehlung von 2022 zur Gewährleistung eines fairen Übergangs zur Klimaneutralität wird dabei als gelungenes Beispiel angeführt, um die beschäftigungspolitischen und sozialen Aspekte des grünen Übergangs anzugehen.

Weiterentwicklung der Säule

Die Arbeits- und Sozialminister greifen diese Herausforderungen auf und benennen ihre Prioritäten für die Weiterentwicklung der Säule. Ganz oben steht die bessere Verzahnung zwischen finanzpolitischen und sozial- und arbeitsmarktpolitischen Zielen. Dies gilt für das Europäische Semester, aber auch die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene über die Ressortgrenzen hinweg. Ein erster Schritt war die erste gemeinsame Sitzung der Ministerräte zu Finanzen und zu Arbeit und Soziales am 12. März. Aber auch das Berichtswesen gilt es besser aufeinander abzustimmen. Als Beispiel werden die in diesem Jahr erscheinenden Berichte zu angemessenen Renten und Tragfähigkeit der Sozialschutzsysteme aufgeführt.

Ein weiterer Fokus soll auf dem Lebenszyklus-Ansatz liegen, den die von der EU-Kommission eingesetzte Expertengruppe zur Zukunft der Sozialversicherung und des Wohlfahrtstaates in der EU in ihrem Abschlussbericht vorgeschlagen hat. Dabei wird zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in unterschiedlichen Lebensphasen unterschieden. Dies ermöglicht zu definieren, welche Kombination von Sozialdienstleistungen, Einkommensunterstützung und unterstützenden Regelungen erforderlich ist, um einen wirksamen Sozialschutz und Wohlstand über den gesamten Lebensverlauf zu erreichen.

Erste Schritte

Am 11. März hat der EPSCO den diesjährigen gemeinsamen Beschäftigungsbericht verabschiedet. Zur Unterstützung der Konvergenz nach oben wird in diesem erstmals das Social Convergence Framework umgesetzt. Dabei werden in einem ersten Schritt Risiken für die Konvergenz nach oben für alle 27 Mitgliedstaaten identifiziert sowie die Länder benannt, für die eine vertiefende Analyse notwendig ist. Bei diesen handelt es sich um Bulgarien, Estland, Ungarn, Italien, Litauen, Rumänien und Spanien. Für diese Länder werden nun länderspezifische Konvergenzberichte erstellt.

La Hulpe

Im Rahmen der Konferenz von La Hulpe im April soll eine Erklärung über die Zukunft des sozialen Europas angenommen werden. Diese soll von den EU-Institutionen (Europäische Kommission, Europäisches Parlament und Rat der EU), den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft unterzeichnet werden. Ziel der Erklärung ist es, die künftige Sozialagenda für den Zeitraum 2024-2029 vorzubereiten und die ESSR als sozialpolitischen Kompass der EU für die kommenden Jahre zu bekräftigen.