Heraus­for­de­rungen mit verän­derten poli­ti­schen Kräften meis­tern.

IW – 11/2024

Die Europäische Union (EU) steht vor einem neuen Kapitel in ihrer politischen Geschichte. Mit Beginn ihrer zweiten Amtszeit setzt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf eine Reihe an Veränderungen und stellt damit neue Maßstäbe für Transparenz und Zusammenarbeit innerhalb der EU auf. Bei der Besetzung ihrer Kommission musste sie jedoch bereits erste Hürden überwinden: Unterschiedliche nationale Interessen, politische Allianzen und die Herausforderung, das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern zu halten, haben die Verhandlungen um die Kommissionsposten geprägt. Der Schlüssel zum Erfolg? Kompromisse und Klarheit inmitten von Herausforderungen.

Neue Macht­ver­hält­nisse = Neue Heraus­for­de­rung

Bereits in ihrer ersten Amtszeit hat sich Ursula von der Leyen als eine entschlossene Führungspersönlichkeit erwiesen. Doch angesichts der veränderten innenpolitischen und geopolitischen Lage in Europa wird sie es in den kommenden fünf Jahren nicht immer leicht haben. Die Ergebnisse der Europawahlen und vieler nationaler Wahlen haben deutlich gemacht, dass sich die Bürgerinnen und Bürger zunehmend von populistischen und antieuropäischen Parteien angesprochen fühlen. Damit haben sich die Machtverhältnisse im Europäischen Parlament und in den Mitgliedstaaten verändert. Für Ursula von der Leyen wird es also entscheidend sein, ob und mit welchen Mehrheiten sie ihre Ziele und Visionen durchsetzen kann.

Diskus­sion um Kommis­si­ons­posten

Dass dies nicht einfach sein wird, hat sich schon bei der Zusammenstellung ihres Teams gezeigt. Nach monatelangen Verhandlungen und Diskussionen über die Verteilung der Zuständigkeiten und der Genderbalance hatte von der Leyen nach der Sommerpause ihr neues Team vorgestellt. Mehr als die Hälfte der designierten Kommissarinnen und Kommissare gehören der EVP-Familie an. Was angesichts des Wahlerfolgs der EVP keine große Überraschung war. Der Vorschlag Giorgia Melonis, den rechten italienischen Politiker Raffaele Fitto zu einem der sechs Exekutiv-Vizepräsidenten zu ernennen, stieß jedoch auf Proteste. Ebenso die Ernennung des designierten Gesundheitskommissars Olivér Várhelyi, der dem ungarischen Ministerpräsidenten nahesteht. Die Nominierung erfolgte jedoch nicht willkürlich, sondern war vielmehr von der Leyens Versuch, den Mitgliedstaaten gerecht zu werden, in denen europaskeptische Stimmen lauter geworden sind.

Von der Leyen baut eigene Macht weiter aus

Mit der Vorstellung ihres neuen Teams präsentierte von der Leyen auch grundlegende Veränderungen in der Organisation der Europäischen Kommission. Die Struktur des Kollegiums wurde verschlankt, die Rolle der Vizepräsidenten gestärkt und die Ressortaufteilung überarbeitet. Neue Portfolios und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Ressorts sollen die Effizienz steigern. Ihre eigene Position stärkt von der Leyen durch die Besetzung von Schlüsselpositionen mit Loyalisten, die Ausgrenzung von Kritikern und der Schaffung eines komplexen Systems von Abhängigkeiten und Kompetenzüberschneidungen, in dem niemand zu viel Einfluss gewinnen kann.

Tauziehen zwischen den Frak­tionen

Mit der Vorstellung des neuen Teams von von der Leyen war jedoch schnell klar, dass die Bestätigung durch das Europäische Parlament kein Selbstläufer sein wird. Auch wenn – anders als in der Vergangenheit – kein Kandidat ausgetauscht werden musste, war der Weg hin zu einer Einigung geprägt von politischen Machtspielen. Die EVP verweigerte ihre Zustimmung zur Ernennung der spanischen Sozialdemokratin Teresa Ribera, der schwere Versäumnisse im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe in Valencia vorgeworfen wurden. Und die S&D blockierte die Nominierung des stark umstrittenen Italieners Raffaele Fitto. Auch die Nominierung von Henna Virkkunen und dem designierten Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi wurde kurzzeitig auf Eis gelegt. 


Den Durchbruch brachte schließlich eine gemeinsame Erklärung, in der sich die drei proeuropäischen Fraktionen – EVP, S&D und Renew – auf allgemeine Leitlinien zu Migration, Wirtschaft, Sozialstaat, Umweltschutz, Rechtsstaat, Geopolitik, dem Mehrjährigen Finanzrahmen und EU-Reformen verständigten. Auch kleinere Änderungen im Portfolio des Gesundheitskommissars ermöglichten es, die Blockaden zu überwinden. Am 27. November gab das Europäischen Parlament mit 370 Stimmen der Abgeordneten von EVP, S&D, Renew, EKR und den Grünen letztlich grünes Licht für die offizielle Nominierung, sodass die EU-Kommission ihre Arbeit wie geplant am 1. Dezember aufnehmen kann.


In den kommenden Wochen wird die neue EU-Kommission ihre Agenda vorstellen und die Weichen für die nächsten Jahre stellen. Wir dürfen gespannt sein, welche Initiativen und Reformen die Kommission in Angriff nehmen wird, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

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