Die Europäische Union will die Vergaberechtsrichtlinien modernisieren.

JR – 04/2025

Das öffentliche Beschaffungswesen ist einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in der Europäischen Union (EU) mit einem Volumen von rund zwei Billionen Euro jährlich. Die Europäische Kommission plant derzeit, die dem Beschaffungswesen zugrundeliegenden Vergaberichtlinien aus dem Jahr 2014 grundlegend zu überarbeiten. Anlass sind neue Anforderungen durch die Digitalisierung sowie die Erkenntnisse aus einem Jahrzehnt praktischer Anwendung.

Modernisierungsbedarf nach zehn Jahren Anwendung

Seit Inkrafttreten der Vergaberichtlinien hat sich sowohl die technische als auch die politische Landschaft erheblich verändert. Dies gilt insbesondere auch in den Bereichen Energie, Sicherheit und Gesundheit. Unter den veränderten Bedingungen soll mit einer Überarbeitung der Richtlinien weiterhin eine effiziente Verwendung öffentlicher Mittel gewährleistet, der Wettbewerb im Binnenmarkt gestärkt und Transparenz sowie Integrität gefördert werden. Eine öffentliche Konsultation dazu endete am 7. März 2025. Ein konkreter Gesetzesvorschlag ist für 2026 geplant.

Unterschiedliche politische Schwerpunkte

Nach ersten Äußerungen der Kommission soll es insbesondere Verfahrensvereinfachungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geben. Daneben sollen digitale Technologien in jeder Phase der Beschaffung genutzt werden, um effiziente Vergabeprozesse zu gewährleisten. Die EVP (Europäische Volkspartei) fordert eine grundlegende Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren, die Abschaffung der obligatorischen Bevorzugung grüner Technologien, eine Aktualisierung der Schwellenwerte sowie eine Datenbank für genehmigte Unternehmen zur Unterstützung. Die S&D (Socialists & Democrats) unterstützt ebenfalls die Vereinfachung der Richtlinien, will aber ökologische und soziale Anforderungen berücksichtigt sehen.

Reformerwartungen treffen auf komplexe Realität

Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) im Europäischen Parlament befasst sich ebenfalls mit dem Vergaberecht und will mit einer Resolution politische Akzente setzen. Der Europaabgeordnete Piotr Müller hat hierzu einen vorläufigen Bericht erstellt, der zentrale Kritikpunkte und Reformvorschläge zusammenfasst. Laut Müllers Bericht leidet die gegenwärtige Praxis an veralteten und komplizierten Mechanismen, einem Rückgang des Wettbewerbs sowie an einer mangelhaften Transparenz, die das Risiko von Korruption erhöht. Müller fordert daher standardisierte Überwachungsmechanismen, einen Fokus auf Innovationen, langfristige Wert- und Preis-Leistungs-Verhältnisse sowie einen fairen Wettbewerb – letzteren auch gegenüber Nicht-EU-Anbietern. Ein Rahmen für Notfallbeschaffungen, etwa bei kritischen Versorgungslagen, soll zudem die Verfahren beschleunigen, ohne dass dies zu Lasten von Transparenz oder Wettbewerb geht. Wichtig sei außerdem, dass im Zuge der Digitalisierung nicht nur analoge Prozesse digital abgebildet werden, sondern strukturelle Verbesserungen ermöglicht werden.

Resolution in Abstimmung

Der mitberatende Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) hat bereits Stellung zum Bericht genommen und betont, dass das öffentliche Auftragswesen für KMU zugänglicher werden muss. Unternehmen, die das Arbeitsrecht einhalten, sowie sozial und nachhaltig handelnde Unternehmen sollen stärker unterstützt werden. Der mitberatende Ausschuss für internationalen Handel (INTA) fordert die stärkere Integration des internationalen Handels in das europäische Vergaberecht und wird am 14. und 15. Mai über seine Änderungsanträge abstimmen. Im Anschluss soll der zuständige Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) am 25. und 26. Juni den finalen Resolutionstext beschließen. Die Verabschiedung durch das Plenum des Europäischen Parlaments ist für Juli geplant.

Meinung DSV

Die DSV begrüßt die Überprüfung der Vergaberichtlinien und fordert mehr Flexibilität, kürzere Fristen und rechtssichere ergänzende Vergabekriterien über das Niedrigstpreis Prinzip hinaus. Unterstützt wird auch der Vorschlag, europäisch hergestellte Arzneimittel im Rahmen des „Critical Medicines Act“ unter klaren Bedingungen bevorzugt zu behandeln.