Wird die Ausnahme zum Normalfall?
ed* Nr. 01/2018 – Kapitel 3
Nach wie vor scheint das „klassische Arbeitsverhältnis“ für die meisten der Regelfall zu sein: Der Arbeitnehmer ist vom Arbeitgeber abhängig beschäftigt. Die Allgegenwärtigkeit neuer Geschäftsmodelle wie Deliveroo, Uber, Airbnb und ähnlicher Plattformen legt die Annahme nahe, dass bereits heute ein signifikanter Teil der neuen Internet-basierten Erwerbsformen in Form von atypischer Beschäftigung und Solo-Selbstständigkeit erbracht wird. Müssen wir uns deswegen darauf einstellen, dass atypische Beschäftigungsformen zum Normalfall werden?
Tatsächlich scheint der Anteil atypischer Beschäftigung und von Solo-Selbstständigkeit an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen derzeit noch unverändert zu sein. Nach einem Bericht der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) ist der Anteil der befristet Beschäftigten an der Gesamtzahl aller Beschäftigten in Europa relativ konstant geblieben, mit einem Anteil 14,5 % im Jahr 2006 und 14,2 % im Jahr 2016.1 Auch in Deutschland liegt der Anteil der Erwerbstätigen, die einer atypischen Beschäftigung nachgehen, unverändert bei etwa einem Fünftel (20,7 %) der Erwerbstätigen.2
Den Anteil der Selbstständigen an den Erwerbstätigen in Europa sieht Eurofound seit 2002 als vergleichsweise stabil.* Der Anteil der Selbstständigen ohne Mitarbeiter, insbesondere der Selbstständigen in Teilzeit, hat sich im gleichen Zeitraum hingegen erhöht. Insgesamt wird festgestellt, dass 25 % aller Selbstständigen, d. h. 8 Millionen Menschen, in der EU-28 als Solo-Selbstständige unter prekären Umständen tätig sind.
Die globale Ausrichtung einer solchen Plattform durch den Betreiber und vergleichsweise geringe Kosten – inkl. der Personalkosten – machen diese Geschäftsmodelle attraktiv. Ein weiterer Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg von Plattformen und damit ein Anwachsen des Sektors ist der Umgang mit Nutzerdaten: Aus ihnen lassen sich Rückschlüsse auf das Verhalten der Nutzer ziehen, die mit gezielten Angeboten bedient werden können. Ein Vergleich zwischen Plattformökonomie und deutschen Industrieunternehmen, bezogen auf Umsatz, Gewinn, Beschäftigte sowie Marktkapitalisierung, zeigt, dass die digitalen Unternehmen innerhalb von fünf Jahren (2012–2016) rasanter gewachsen sind als die einstmals analog gegründeten Unternehmen.*