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ed* Nr. 02/2025

Gestatten, Kollege KI

ed* Nr. 02/2025 – Kapitel 4

Digitale Technologien verändern den Arbeitsalltag grundlegend, sei es durch automatisierte Disposition in der Logistik, algorithmisch gesteuerte Personalplanung in Pflegeeinrichtungen oder KI-basierte Leistungserfassung im Kundenservice. Immer häufiger übernehmen Systeme Aufgaben, die früher ausschließlich der menschlichen Führung vorbehalten waren. Diese Entwicklungen bergen große Potenziale, aber auch neue Risiken für Sicherheit, Gesundheit und Chancengleichheit in der Arbeitswelt.


Algorithmisches Management – also der Einsatz digitaler Systeme zur Steuerung, Kontrolle oder Bewertung von Arbeitsprozessen – wird bereits heute in über einem Viertel der Unternehmen in der EU genutzt, mit weiter steigender Tendenz.1 Richtig eingesetzt kann diese Technologie Routinetätigkeiten erleichtern, die körperliche Belastung verringern und Arbeitsprozesse effizienter gestalten. So unterstützen etwa digitale Assistenzsysteme Lagerarbeitende dabei, schwere Lasten rückenschonend zu bewegen, oder sie ermöglichen Zustelldiensten eine optimierte Routenplanung zur Zeit- und Ressourcenschonung.


Gleichzeitig entstehen neue Gefährdungslagen. Zu den bekanntesten zählen Arbeitsplatzverluste durch Automatisierung, eine wachsende technologische Abhängigkeit, Überwachung, Stress durch ständige Erreichbarkeit und eine Entfremdung von menschlicher Interaktion. Wie der Einsatz algorithmischer Managementsysteme am Arbeitsplatz funktionieren soll, diskutiert momentan der Europaabgeordnete Andrzej Buła (Europäische Volkspartei, Polen) im Rahmen seines Initiativberichts.2 Sein Ziel ist es, klare Standards für Transparenz, Mitbestimmung und Gesundheitsschutz in allen Sektoren zu etablieren. Ob es ihm gelingt, die Europäische Kommission dazu zu bewegen, bestehende Regelungen für Plattformbeschäftigte auch auf andere Beschäftigungsbereiche auszuweiten, bleibt abzuwarten.


Doch der von KI getriebene Wandel betrifft nicht nur die Privatwirtschaft. Auch die Sozialversicherung durchläuft aktuell einen tiefgreifenden Transformationsprozess. Verwaltungsprozesse effizienter gestalten, die Kommunikation mit Versicherten verbessern und Mitarbeitende von Routinetätigkeiten entlasten sind dabei zentrale Themen, die mit Hilfe von KI gelöst werden sollten. Es gibt bereits zahlreiche Praxisbeispiele für den Einsatz von KI in der europäischen Sozialversicherung.3 So setzt beispielsweise die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) KI-gestützte Vorhersagemodelle ein, um Unternehmen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf frühzeitig zu identifizieren und so den Einsatz von Aufsichts- und Inspektionspersonal gezielt zu steuern.


Damit entsteht eine doppelte Dynamik. Die Sozialversicherung ist gleichzeitig Akteurin und Betroffene der digitalen Transformation. Sie muss nicht nur die Folgen algorithmischen Managements und der KI-Nutzung in Betrieben beobachten und mitgestalten, sondern auch ihre eigenen Strukturen zukunftsfest machen. Notwendig dafür sind praxisnahe gesetzliche Rahmenbedingungen, klare Standards für Datenschutz und Cybersicherheit sowie ein systematischer Kompetenzaufbau innerhalb der Organisationen.


Algorithmisches Management

Bezeichnet den Einsatz von digitalen Systemen und Algorithmen zur Überwachung, Steuerung und Bewertung von Beschäftigten. Dabei werden Entscheidungen über Arbeitszuweisung, Leistungskontrolle oder Vergütung automatisiert auf Grundlage von Datenauswertungen getroffen. Diese Form des Managements kommt besonders in Plattformarbeit und digitalisierten Arbeitsumgebungen vor und kann Effizienz steigern, wirft jedoch Fragen zum Datenschutz, zur Transparenz und zur fairen Behandlung von Arbeitnehmern auf.