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Von der Nische zur Schnittstelle:
Arbeitsschutz als Querschnittsthema
ed* Nr. 02/2025 – Kapitel 6
Auf europäischer Ebene ist nicht nur politisch viel in Bewegung – auch die institutionellen Zuständigkeiten verändern sich spürbar. Lange Zeit waren Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit nahezu ausschließlich im Verantwortungsbereich der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration (GD EMPL) verankert. Inzwischen lässt sich jedoch eine deutliche Ausweitung auf andere Politikbereiche beobachten. Immer mehr Themen mit Relevanz für den Arbeitsschutz – und damit auch für die gesetzliche Unfallversicherung – werden heute von weiteren Generaldirektionen verantwortet.
Ob Maschinenverordnung, Nachhaltigkeitsberichterstattung oder Kreislaufwirtschaft – in vielen Bereichen werden mittlerweile auch Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz getroffen. Diese Entwicklung spiegelt die wachsende Bedeutung von Querschnittsthemen wider. Der Schutz von Beschäftigten kann heute nicht mehr isoliert betrachtet werden. Er ist zunehmend verwoben mit der Wirtschafts-, Umwelt- und Wettbewerbspolitik. Besonders deutlich wird das in Feldern, in denen technische Normen, Marktregeln oder Nachhaltigkeitsanforderungen unmittelbar die Arbeitsrealität prägen.
Hinzu kommen bereichsübergreifende EU-Initiativen, die über den klassischen Arbeitsschutz hinausgehen, aber dennoch erhebliche Auswirkungen haben. Dazu zählen etwa die Datenschutz-Grundverordnung oder das europäische Vergaberecht. Noch deutlicher wird die Verschiebung am Beispiel der europäischen Chemikalienpolitik. Die geplante Überarbeitung der REACH-Verordnung – die die Registrierung, Zulassung, Beschränkung und Bewertung chemischer Stoffe regelt – hat direkte Auswirkungen auf die Prävention von Gefährdungen am Arbeitsplatz. Zuständig ist hierfür jedoch nicht GD EMPL, sondern die Generaldirektionen GD ENV (Umwelt) und GD GROW (Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU).
Der Einfluss europäischer Entscheidungen auf die Arbeit der Sozialversicherung wächst kontinuierlich. Für die Praxis bedeutet das nicht nur eine engere Verzahnung politischer Zuständigkeiten, sondern auch die Notwendigkeit, europäische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, aktiv zu begleiten und in den Dialog mit Europäischem Parlament, Europäischer Kommission und weiteren Akteurinnen und Akteuren einzutreten – immer mit dem Ziel, die Perspektive der Sozialversicherung systematisch einzubringen.
Die institutionelle Verschiebung macht deutlich: Arbeitsschutz ist heute nicht mehr nur ein sozialpolitisches Anliegen, sondern ebenso ein wirtschafts- und umweltpolitisches Querschnittsthema. Für die deutsche Sozialversicherung entstehen dadurch neue Möglichkeiten zur Mitgestaltung. Gleichzeitig erfordert diese Entwicklung aber auch eine strategische Positionierung an den Schnittstellen europäischer Politik – sowie eine kontinuierliche Beobachtung und Bewertung rechtlicher Vorhaben über Ressortgrenzen hinweg.
Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze
Er signalisiert ein starkes Engagement der Europäischen Kommission für bessere Arbeitsqualität und die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze in der EU. Der Fahrplan konzentriert sich dabei auf Bereiche, in denen europäisches Handeln besonders wirksam ist. Dazu gehören die Förderung und Sicherung hochwertiger Beschäftigung, mehr Fairness und Modernisierung in der Arbeitswelt, Unterstützung beim ökologischen, digitalen und demografischen Wandel, die Stärkung des sozialen Dialogs sowie ein wirksamer Zugang zu Rechten und ausreichende Investitionen.