Mehr Mitsprache für Europäerinnen und Europäer
Bessere Öffentlichkeitsarbeit für wirksamere öffentliche Konsultationen.
SW – 09/2019
„Die Bürgerinnen und Bürger sollen die Zukunft
der Union gestalten“, so hat es die gewählte Kommissionspräsidentin Ursula von
der Leyen in ihren Leitlinien für die künftige Europäische Kommission
angekündigt. Sie möchte mehr Schwung für die Demokratie in Europa. Den
Bürgerinnen und Bürgern soll eine führende und aktive Rolle bei der Festlegung von
Prioritäten und Zielvorgaben zukommen.
Bereits durch
ihre „Agenda für eine bessere Rechtsetzung“ möchte die EU-Kommission Transparenz
im Rechtsetzungsprozess gewährleisten und Bürgerinnen und Bürgern sowie
Interessenträgern Gelegenheit geben, sich bei der Erarbeitung und Bewertung von
Rechtsvorschriften und Strategien der EU zu beteiligen. Von diesen
Möglichkeiten der Politikberatung machen auch die Spitzenorganisationen der
deutschen Sozialversicherung regelmäßig Gebrauch.
Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs
Nun hat der
Europäische Rechnungshof einen Sonderbericht zum Thema vorgelegt, in dem er bewertete, ob die öffentlichen Konsultationen
der EU-Kommission wirksam dazu beigetragen haben, Bürgerinnen und Bürger
sowie Interessenträger beim Erlass und der Evaluierung von EU-Rechtsvorschriften einzubeziehen.
Die Prüfer kamen zu einem überwiegend positiven Ergebnis. Der Rahmen der
EU-Kommission zur Konsultation der Öffentlichkeit während der Ausarbeitung und
Evaluierung von EU-Rechtsvorschriften und -Politiken weise einen hohen Standard
auf.
Kritik übten
die Prüfer an der unzureichenden Öffentlichkeitsarbeit und den Rückmeldungen
der Kommission. Die Prüfer hatten festgestellt, dass bei den Konsultationen mit
den niedrigsten Rücklaufquoten von der Kommission nur wenige
Kommunikationskanäle zur Öffentlichkeitsarbeit genutzt wurden, im
Gegensatz zu denen mit sehr hohen Rücklaufquoten. Eine verstärkte
Öffentlichkeitsarbeit und die Übersetzung der Umfragen in alle Amtssprachen der
EU könnten zu einer stärkeren Beteiligung an Konsultation führen.
Ferner
empfahlen die Prüfer, zeitnah Informationen über das Ergebnis der Umfragen zur Verfügung zu stellen. In einigen Fällen seien nach der Konsultation keine
Berichte über die Ergebnisse ausgearbeitet worden, oder nur mit großer Verzögerung
und oft nur in Englisch.
Bilanz der EU-Kommission
Die Kommission
selbst hatte im April 2019 ebenfalls Bilanz zur Agenda für eine bessere Rechtsetzung gezogen (siehe Bericht 5-2019),
nachdem sie zuvor Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessenträgern in einer
öffentlichen Konsultation Gelegenheit zur Äußerung gegeben hatte. Auch die Spitzenorganisationen
der deutschen Sozialversicherung hatten sich hieran beteiligt (siehe Bericht 11-2018 und vollständiges Positionspapier)
und darauf hingewiesen, dass eine gründliche Analyse und deren detaillierte
Darlegung helfe, Bewertungsprozesse transparent zu machen. Ferner hatte sich
die Deutsche Sozialversicherung dafür ausgesprochen, dass Folgenabschätzungen
- wo angezeigt - auch fundiert auf soziale und gesundheitliche Belange eingehen
sollten.
Einschätzung des EWSA
Derzeit beschäftigt aich auch der
Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss mit dem
Thema „Bessere Rechtsetzung“ und fordert eine integrierte Folgenaschätzung, die
u.a. auch Kriterien wie Sozialschutz, Beschäftigung, und Gesundheit Rechnung
tragen müsse. Im Entwurf
seiner Stellungnahme, die Ende September im Plenum des Ausschusses
behandelt wird, fordert er die Kommission auf, eine intelligente
Bewertungsmatrix für die Folgenabschätzung zu entwickeln, die es erlaube, die
Auswirkungen wesentlicher Änderungsvorschläge der Mitgesetzgeber und
Interessenträger abzuschätzen.
Der EWSA vertritt
im Entwurf die Ansicht, dass die Fortführung der Agenda für eine bessere
Rechtsetzung von bestimmten substanziellen Verbesserungen abhängig gemacht
werden sollte und schlägt vor, die Verantwortung für die Agenda einem
Vizepräsidenten der neuen EU-Kommission zu übertragen.