
Lücken im Arbeitsschutz
Rechtsrahmen für neue Formen der Arbeit nicht ausreichend.
SW – 10/2019
Zu diesem
Ergebnis kommt ein Bericht (liegt nur in englischer Sprache vor),
der vom Ausschuss „Beschäftigung und soziale Angelegenheiten“ des Europäischen
Parlaments zum Thema „Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz der Zukunft“ in
Auftrag gegeben wurde.
Der Bericht basiert
auf jüngsten wissenschaftlichen Untersuchungen und Berichten von politischen
Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern. Aufgezeigt werden zukünftige Risiken für die körperliche
und geistige Gesundheit und die Sicherheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die auf
technologiegetriebene Veränderungen am Arbeitsplatz zurückzuführen sind, wie
zum Beispiel:
- Veränderungen
der Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz, durch Automatisierung und Robotik, Digitalisierung,
neue Arten von Arbeitsumgebungen wie virtuelle oder erweiterte Realitäten, Nutzung
von Algorithmen oder Einsatz von Überwachungstechnologien zur Überwachung des
Verhaltens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz;
- Veränderungen
der Organisation und Erbringung von Arbeit. Stichworte sind hier „Scheinselbstständigkeit",
„Nullstundenverträge“, „nicht garantierte Mindeststunden-Verträge“ (NGMH),
„Gig-Economy“, „Plattformarbeit“ und „Telearbeit“;
- Sonstige
Gesundheits- und Sicherheitsrisiken.
Der Bericht zeigt
für die genannten Veränderungen „Lücken“ im bestehenden europäischen
Rechtsrahmen zum Arbeitsschutz auf und Möglichkeiten, wie diese geschlossen
werden könnten. Er kommt zu dem Schluss, dass viele der 24 EU-Richtlinien zum
Arbeitsschutz und die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der
Arbeitszeitgestaltung sich „nur“ auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beziehen und Scheinselbstständige
oder Personen, die auf der Grundlage anderer persönlicher Arbeitsverträge
Dienstleistungen und Arbeit erbringen, ausschließen. Gesundheit und Sicherheit
am Arbeitsplatz seien in der Europäischen Union von größter Bedeutung und
bildeten einen der Grundpfeiler der Europäischen Säule sozialer Rechte.
Die Autoren
regen an zu erwägen, den Besitzstand im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz zu ändern, um den Arbeitsschutz in der EU
über die Kategorie „Arbeitnehmer“ hinaus auch auf Scheinselbstständige und
atypische Beschäftigungsverhältnisse auszudehnen.
Der Bericht empfiehlt
eine weitere Erforschung der Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, die auf die genannten
neuen Technologien und Arbeitsmuster zurückzuführen sind, da diese derzeit noch
nicht ausreichend erforscht seien. Sollten wissenschaftliche Untersuchungen ergeben,
dass Rechtsvorschriften zur Bekämpfung psychosozialer Risiken am Arbeitsplatz,
im Hinblick auf physische Kollisionen an gemeinsam von Mensch und Maschine genutzten
Arbeitsplätzen oder Muskel- und Skeletterkrankungen, die auf solche neuen
Technologien und Arbeitsmuster zurückzuführen sind, erforderlich seien, sollten
Möglichkeiten neuer Rechtsvorschriften oder eine Anpassung des bestehenden
Rechtsrahmens geprüft werden.
Ausblick
Schon der Rat
hatte sich in seinen Schlussfolgerungen im Juni 2019 mit dem Thema der sich
wandelnden Arbeitswelt und den Herausforderungen für die Sicherheit und
Gesundheit der Beschäftigten in den neuen Formen der Arbeit beschäftigt (siehe
Bericht 07/2019).
Nun hat auch
der designierte Kommissar für Beschäftigung, Nicolas Schmit, darauf
hingewiesen, dass die sich wandelnde Arbeitswelt neue Überlegungen zum
Arbeitsschutz erfordere. In
seiner Anhörung vor dem Europäischen Parlament am 1. Oktober
2019 betonte er, dass ihm das Thema Sicherheit und Gesundheit
am Arbeitsplatz am Herzen liege. In seinen schriftlichen Antworten zum Fragebogen des Europäischen Parlaments hob er
hervor, dass er ein hohes Maß an Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der
Arbeit gewährleisten wolle. Hierzu beabsichtigt er – über den derzeitigen, noch
bis 2020 geltenden strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am
Arbeitsplatz hinaus – Möglichkeiten
zu prüfen. Um die Hauptrisiken wie Krebs, Stress, psychische Gesundheit und
Erkrankungen des Bewegungsapparates zu bekämpfen, müssten die zur Verfügung
stehenden politischen Instrumente sorgfältig untersucht werden.