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ed* Nr. 03/2021

1. Kommunikation zwischen Sozial­versicherungsträgern

Mit dem europäischen, elektronischen Austausch von Sozialversicherungsdaten (European Exchange of Social Security Information – EESSI) möchte die EU-Kommission den Datenaustausch zwischen den Sozialversicherungs­trägern in der EU, den EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) und dem Vereinigten Königreich digitalisieren und erleichtern.

ed* Nr. 03/2021 – Kapitel 3

Das EESSI soll einen papierlosen, schnelleren und effizienteren Austausch von Daten zwischen verschiedenen Sozialversicherungsträgern und mit nationalen Behörden ermöglichen, so zum Beispiel die Daten zur Ausstellung einer PDA1-Bescheinigung. Einzelfälle und Anfragen von Versicherten können schneller bearbeitet und die Laufzeit, d. h. die Berechnung und Auszahlung von Leistungen, verkürzt werden. Elektronische Standardverfahren tragen dazu bei, dass die Vorschriften zur Koordinierung der sozialen Sicherheit ordnungsgemäß angewandt werden. Spezielle Vorkehrungen stellen sicher, dass die ausgetauschten Daten korrekt und vollständig sind.

Aller Anfang ist schwer …

Die „Historie“ des EESSI reicht weit zurück. Es ist eines der umfassendsten und anspruchsvollsten Projekte im Bereich der Digitalisierung der Systeme der sozialen Sicherheit. War für den Übergang von einem Papier-basierten zu einem elektronischen Austauschsystem ursprünglich – und sehr optimistisch – eine Übergangsfrist bis zum 30. April 2012 vorgesehen, wurde diese durch den Beschluss Nr. E4 der Verwaltungskommission für die Ko­­ordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit „flexibel“ verlängert.1 Der Übergang sollte innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag erfolgen, an dem das zentrale EESSI-System entwickelt und erprobt und für die Nutzung bereitgestellt sei, so dass die Teilnehmerstaaten mit der Integration in das Zentralsystem hätten beginnen können. Diese Frist endete am 2. Juli 2019 und ließ sich letztlich auch nicht einhalten. 

Digitalisierung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: So spielt alles zusammen

Nach Angabe der Kommission sind mit Stand Oktober 2021 die meisten teilnehmenden Staaten – insgesamt etwa 3000 Sozialversicherungsorganisationen – zumindest teilweise an das EESSI angeschlossen und in der Lage, Daten auszutauschen. Lediglich neun Mitgliedstaaten, da­­runter Bulgarien, Zypern, Estland, Kroatien, Irland, Lettland, Malta, ­Slowenien, sowie trotz des Austritts aus der EU das Vereinigte Königreich sind vollständig angeschlossen und nutzen das EESSI für alle Anwendungsfälle. Ein vollständiger Anschluss aller teilnehmenden Staaten wird für Mitte 2023 erwartet.

… und auch am Ende gibt es noch Stolperfallen

Um die Daten im elektronischen Austausch entsprechend zu verarbeiten und untereinander zu kommunizieren, hatte die EU-Kommission zu Beginn den Sozialversicherungs­trägern eine Schlüsselsoftware namens RINA zur Verfügung gestellt. Mit RINA (Reference Implementation for a National Application) wurde den zuständigen Sozialversicherungsbehörden in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums, des Vereinigten Königreichs und der Schweiz von der EU-Kommission übergangsweise ein Instrument an die Hand gegeben, um schrittweise die elektronische Kommunikation miteinander einzuführen. RINA wird von der Mehrheit der teilnehmenden Institutionen genutzt und ist eine der zentralen Komponenten des EESSI, die aktuell noch von der EU-Kommission unterstützt wird.


Letztes Jahr hatte die EU-Kommission beschlossen, den Support und die Wartung von RINA nicht mehr selbst weiterzuführen und mitgeteilt, dass Ende 2021 diese Aufgabe den Mitgliedstaaten übergeben wird2. Seitdem versuchen die Sozialversicherungseinrichtungen in Europa Lösungen zu finden, um weiterhin reibungslos kommunizieren zu können. Einige – unter anderem auch die Sozialversicherungsträger in Deutschland – haben ihre eigene Software entwickelt, um RINA ganz oder teilweise zu ersetzen. Andere beteiligen sich an einer gemeinsamen öffentlichen Beschaffung, um einen neuen Anbieter für RINA zu finden.


Eine „vorzeitige“ Übergabe könnte insbesondere kleine Sozialversicherungsorganisationen vor Probleme stellen. Dies umso mehr, als auch ein gemeinsames europäisches Vergabeverfahren der Teilnehmerstaaten, die die RINA-Software nutzen, für die weitere technische Unterstützung voraussichtlich nicht vor Ende 2022 abgeschlossen sein würde. 

Vorteile überwiegen den Aufwand

Auch wenn der Aufwand für die Sozialversicherungsträger groß war und zum Teil nach wie vor ist, überwiegt in einer digitalisierten Welt mit mobilen EU-Bürgerinnen und Bürgern doch der Nutzen des elektronischen Datenaustauschs. Dieser trägt zur Optimierung der Fallbearbeitung bei, entlastet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialversicherungsträger und erhöht die Datenqualität. Übertragungsfehler werden vermieden und die Sicherheitsvorkehrungen im Hinblick auf die ausgetauschten Daten helfen bei der Bekämpfung von Fehlern. Standardisierte elektronische Dokumente, die in die jeweilige Sprache übersetzt werden, vereinfachen zudem die mehrsprachige Kommunikation. Auch die EU-Bürgerinnen und Bürger werden von einem weniger zeitaufwendigen und fehleranfälligen elektronischen Austausch profitieren.

EU-Bürgerinnen und Bürger werden von einem weniger zeitaufwendigen fehleranfälligen Austausch profitieren.