Magazine ed*
ed* Nr. 01/2020

Zusammenarbeit auf vielen Ebenen

ed* Nr. 01/2020 – Kapitel 3

Gute Zusammenarbeit: Früherkennungs-Screening

Der Aufbau der Screening-Programme zum Beispiel fußt auf der Ratsem­pfehlung aus dem Jahr 2003, die organisierte, flächendeckende, qualitätsgestützte Früherkennungsprogramme für Brustkrebs, Darmkrebs und das Zervixkarzinom vorsieht. Ein Bericht der „International Agency for Research on Cancer“ aus dem Jahr 2017 hatte gezeigt: 25 Mitgliedstaaten hatten ein Screening für Brustkrebs, 22 für Zervix- und 23 für Darmkrebs umgesetzt oder geplant. Europäische Leitlinien unterstützen den Prozess.


Im Jahr 2005 wurde in Deutschland zunächst das Brustkrebs-Screening für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren eingeführt. Ein Darmkrebs-Screening für Männer ab 50 Jahren folgte 2019, ein Programm zu Gebärmutterhalskrebs für Frauen im Alter von 20 bis 65 Jahren zu Beginn dieses Jahres. Die persönlichen Einladungen – neben der Qualitäts- und Erfolgskontrolle Kenn- zeichen der Screening-Programme – erfolgen für die letzten beiden Programme durch die Krankenkassen.


Darüber hinaus will die gesetzliche Unfallversicherung künftig ehemals asbestexponierten Versicherten eine nachgehende Vorsorge unter Verwen­dung von Biomarkern anbieten, um mögliche Neuerkrankungen von Meso­theliomen und Lungenkrebs frühzeitig zu entdecken. Das Mesotheliom ist ein Krebs, der durch Einatmen von Asbestpartikeln entsteht. Über die Biomarker, die vom Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) entwickelt worden sind, lassen sich nahezu 50 Prozent der Mesotheliome bis zu ein Jahr vor der klinischen Diagnose erkennen.


Vorzeigeprojekt ERN

Im Bereich der seltenen Erkrankungen ermöglichen Europäische Referenz- netzwerke (ERN) seit 2017 eine Vernetzung von medizinischer Expertise an 24 schwerpunktbezogenen Standorten. Anhand virtueller Fallkonferenzen wird der Wissensaustausch gefördert und ein spezialisiertes Versorgungsangebot für Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen geschaffen. Derzeit sind ca. 900 medizinische Einheiten aus über 300 Krankenhäusern in 26 EU-Mitgliedstaaten an die ERN angeschlossen.


Zu den 5.000 bis 8.000 seltenen Erkrankungen zählen mehr als 300 Krebserkrankungen. Drei ERN haben sich auf seltene Krebserkrankungen spezialisiert:


  • ERN EURACAN ist auf seltene Krebserkrankungen mit soliden Tumoren im Erwachsenenalter spezialisiert.
  • Im ERN GENTURIS wird bei genetisch vererbbarer Prädisposition das Verwandtschaftsumfeld der Betroffenen in die medizinische Untersuchung einbezogen.
  • Das ERN PaedCan fokussiert auf den Zugang zur spezialisierten Versorgung von Kindern mit Krebserkrankungen.
  • Die ERN halten auch Antworten für viele Fragen bereit, die die an einem seltenen Krebs Erkrankten im konventionellen Gesundheitsbetrieb nicht erhalten können.

Expositionsdatenbank

Ein weiteres Beispiel findet sich im Arbeitsschutz: In Deutschland verpflich­tet die Gefahrstoffverordnung zur Dokumentation, Archivierung und Aushändigung Expositionsdaten gegenüber krebserzeugenden oder mutagenen Stoffen. Arbeitgeberinnen ­und Arbeitgeber sind verpflichtet, ein Verzeichnis über die ­durch solche Stoffe gefährdeten Beschäftigten zu führen.


Die Verpflichtung geht zurück auf die EU-Richtlinie (2004/37/EG) über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene, mit der Arbeitnehme­rin­nen und Arbeitnehmer vor krebserzeugenden Chemikalien geschützt und die Exposition gegenüber diesen Stoffen be­grenzt werden soll. Inzwischen deckt die Richtlinie 27 krebserzeugende Stoffe ab.


Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat eine zentrale Expositionsdatenbank aufgebaut, um Unternehmen hier zu unterstützen. Ziel ist es, die Daten zu sichern, um gegebenenfalls auch nach den oft sehr langen Latenzzeiten mögliche Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen und Erkrankungen erkennen zu können.

Der Klassiker: Joint Actions

Zu den „Klassikern“ guter europäischer Zusammenarbeit zählen die sogenannten Joint Actions (JA); Initiativen der EU, unter deren Dach Vertreterinnen und Vertreter eines jeden Mitgliedstaates Empfehlungen für gemeinsame Projekte auf europäischer Ebene erarbeiten. Zu Krebs hat es seit 2009 vier aufeinander aufbauende JA gegeben; die letzte („Innovative Partnership for Action Against Cancer“– iPAAC) läuft noch bis 2021. Unter anderem wurde der Anstoß zur Auflage von Nationalen Krebsplänen und zum Aufbau eines Europäischen Krebsinformationssystems (ECIS) gegeben. Deutschland hatte seinen Krebsplan im Jahr 2008 aufgestellt.

Krebsregister – Daten, Wissen, Transparenz

Mit dem deutschen Krebsplan wurde auch der Ausbau von klinischen Krebsregistern angestoßen und 2013 gesetzlich verankert. Klinische Krebsregister liefern Daten zur Versorgung von Krebspatienten und Hinweise zur Weiterentwicklung der Krebstherapie. Sie werden zu gut 90 Prozent von den Krankenkassen finanziert, die ein hohes Interesse an der Verbesserung der Versorgung haben. Die klinischen Krebsregister „füttern“ auch den Zer­tifizierungsprozess der Krebszentren, der fester Bestandteil der Qualitätssicherung in der Krebsversorgung ist.


Daneben gibt es epidemiologische Krebsregister, die Daten zu Inzidenz, Mortalität, Überlebenszeit und Verteilung von Krebserkrankungen erheben. Die epidemiologischen Register liefern Daten an das Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) in Berlin und sind Teil des europäischen Netzwerkes der Krebsregister (European Network of Cancer Registries – ENCR). Dieses entstand 1990 in Folge des ersten Aktionsplanes „Europa gegen den Krebs“ und soll die Qualität, Vergleichbarkeit und Verfügbarkeit von Krebsdaten verbessern. Der Austausch in europäischen Netzwerken bietet bei Volkskrankheiten wie Krebs enormes Potenzial, Forschungsdaten zu sammeln und neue Strategien für die Prävention und Behandlung zu finden.


Doch nicht nur Krebsregister generie­ren Daten: Heller Hautkrebs ist eine chronische Erkrankung und seit 2015 Berufskrankheit. Das Institut für Arbeitsschutz (IFA) der Unfallversicherung ermittelt im Forschungsprojekt GENESIS-UV seit einigen Jahren Belastungsdaten verschiedener Berufsgruppen im Außenbereich, um das Wissen über die Strahlendosis bei Tätigkeiten im Freien zu erhöhen und maßgeschneiderte Präventionskonzepte zu unterstützen.