Magazine ed*
ed* Nr. 01/2024

Sichere und gesunde Arbeitsplätze

ed* Nr. 01/2024 – Kapitel 6

Die psychische Gesundheit hat auch den Arbeitsschutz erreicht. Sowohl der Rat als auch das EU-Parlament haben sich mit diesem Teilaspekt intensiv auseinandergesetzt und dabei prekäre Arbeit als eine wesentliche Ursache markiert. Darüber hinaus haben die relevanten europäischen Agenturen gemeinsam mit der EU-Kommission die geltenden Arbeitsschutzvorschriften weiterentwickelt. So wurde die Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmenden gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz verschärft und an die modernen technischen Möglichkeiten angepasst. Für die Exposition gegenüber Blei sind die Grenzwerte gesenkt und für Diisocyanate erstmals Grenzwerte festgelegt worden. 

Verwendung von Chemikalien am Arbeitsplatz 

Im Oktober 2020 hat die EU-Kommission die Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit vorgelegt. Darin machte sie unter anderem weitreichende Vorschläge, um die Verunreinigung durch Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) zu adressieren. Erste Maßnahmen sind unter anderem im Rahmen der Verordnung über persistente organische Schadstoffe angestoßen worden. Bei der Chemikalienagentur ECHA liegt zudem seit Januar 2023 ein Antrag von fünf Ländern vor, unter anderem auch Deutschland, den Einsatz von PFAS deutlich zu beschränken. Es ist davon auszugehen, dass das Thema in der nächsten Legislaturperiode Priorität haben wird.


Ebenfalls gesetzt ist die Weiterentwicklung der Richtlinie über chemische Arbeitsstoffe sowie der Richtlinie über Karzinogene, Mutagene und reproduk­tionstoxische Stoffe. Es stehen aber auch schon weitere Stoffe wie Bisphenol oder Bor auf der Agenda der ECHA. Auch das im Dezember 2023 veröffentlichte Reformpaket „Ein Stoff, eine Bewertung“ zielt auf eine kohärente Sicherheitsbewertung von Chemikalien ab und wird in einem ersten Schritt die legislativen Grundlagen für eine gemeinsame Datenplattform und einen Überwachungs- und Prognoserahmen für Chemikalien schaffen. Ob und wann die von Ursula von der Leyen angekündigte Überarbeitung der REACH-Verordnung zur Vereinfachung des Rechtsrahmens für Chemikalien kommt, ist nach wie vor ungewiss. Ferner will die EU-Kommission grundsätzlich klären, wie ein praktikabler Ansatz für die Risikobewertung von Stoffen aussehen muss. Der in der Chemikalienstrategie verfolgte gefahrenbasierte Ansatz ist aus Sicht der DSV nicht in allen Bereichen – so zum Beispiel im Arbeitsschutz – realitätsbezogen. Es sollte möglich bleiben, auch gefährliche Stoffe industriell einzusetzen, wenn der Schutz der Beschäftigten hinreichend gewährleistet wird. 

Neue Arbeitsformen und Plattformarbeit

Die 9. Legislaturperiode hatte eine klare sozialpolitische Ausrichtung und war reich an gesundheits- und sozialpolitischen Initiativen. Hervorzuheben ist, dass es über die reine Gesetzgebung hinaus Ende 2021 zur Einrichtung einer hochrangigen Expertengruppe zur Zukunft des Sozialschutzes unter Vorsitz der ehemaligen EU-­Kommissarin Anna ­Diamantopoulou gekommen ist. Diese hat im Februar 2023 ihren Bericht vorgelegt: Neben Digitalisierung und Demografie sind auch die neuen Arbeitsformen in den Fokus genommen worden. In diesem Kontext ist es als Highlight der 9. Legislaturperiode zu werten, dass sich das EU-Parlament und der Rat trotz schwierigster Verhandlungen auf eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit verständigen konnten. Damit wird künftig an die Frage, ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, EU-weit einheitlich herangegangen. Aus Sicht der DSV maßgeblich ist, dass hier erstmals die Anwendung von KI im Rahmen von algorithmischem Management geregelt wird. Damit müssen Betreiber von Plattformen, die dieses Managementinstrument verwenden, Rede und Antwort stehen, wie ihre KI arbeitet und warum sie zu bestimmten Ergebnissen kommt. Dieser Ansatz soll künftig auch auf andere Wirtschaftsbereiche ausgeweitet werden.


Anna Diamantopoulou
© Greek Ministry of Foreign Affairs

Die Entwicklungen in unserem Jahrhundert sind weitgehend von Volatilität und Unsicherheit geprägt. Die Bekämpfung der Klimakrise, die Bewältigung digitaler Störungen und die Bekräftigung der Bedeutung des Sozialschutzes und der Rolle des Staates bei der Wahrung der Menschenwürde gehören zu den größten Herausforderungen, vor denen Europa steht. Sozialschutz ist das Kronenjuwel der EU.

Anna Diamantopoulou, Vorsitzende der hochrangigen Expertengruppe zur Zukunft des Sozialschutzes und des Wohlfahrtsstaates

Anzahl der Menschen, die in der EU über digitale Plattformen arbeiten

Die Grafik stellt den Zuwachs der Anzahl der Menschen, die in der EU über digitale Plattformen arbeiten, für den Zeitraum 2022 bis 2025 dar. Im Jahr 2022 waren es 28 Millionen und im Jahr 2025 werden es 43 Millionen Menschen sein. Dies ist ein zu erwartender Anstieg von 52 Prozent.
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Zahlen der Europäischen Kommission