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ed* Nr. 01/2024

Sozialgipfel Porto und Umsetzung der ESSR

ed* Nr. 01/2024 – Kapitel 8

2021 ist auch das Jahr gewesen, in dem das sozialpolitische Herz der EU besonders kraftvoll geschlagen hat. Auf dem Sozialgipfel im Mai 2021 in Porto wurde die weitere Agenda zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) festgelegt. An die Stelle von sozialen Absichtserklärungen sind konkrete sozialpolitische Ziele getreten, die bis 2030 erreicht werden sollen. Dass eine gute Sozialpolitik ein solides wirtschaftliches Fundament braucht, ist unumstritten. Beim dreigliedrigen Sozialgipfel vom 22. März 2023 haben EU-Führungsspitzen und Sozialpartner gemeinsam an diesem Fundament gearbeitet und auf die sich Europa stellenden Herausforderungen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit reagiert. 

Paradigmenwechsel in der Fiskalpolitik?

Der Wille, der Sozialpolitik auch in Zukunft einen hohen Stellenwert in der europäischen Politik zu sichern, ist während der spanischen und belgischen Ratspräsidentschaften sehr deutlich geworden. Er zeigt sich unter anderem in der Nutzung der Ergebnisse der Expertengruppe zur Zukunft des Sozialschutzes. So befassen sich aktuell informelle Arbeitsgruppen der Ratspräsidentschaften mit dem Umgang mit Sozialinvestitionen, zum Beispiel in Aus- und Fortbildung, aber auch mit dem wachstumsfördernden Potential von Ausgaben für Prävention und Rehabilitation. Damit deutet sich in fiskal- und haushaltspolitischer Hinsicht ein Paradigmenwechsel an: Investitionen in soziale Bereiche könnten künftig als Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas und seines Binnenmarktes begriffen werden. Binnenmarkt- und Sozialpolitik wären damit als komplementär zu betrachten.

Richtungsweisung durch La Hulpe?

Frank Vandenbroucke
© 2023 HorstWagner.eu

Ein nach Außen starkes und wettbewerbsfähiges Europa muss nach innen solidarisch sein.

Frank Vandenbroucke, stellvertretender ­belgischer Ministerpräsident und Sozial- und Gesundheitsminister

Zum Ende der Legislaturperiode ist der sozialpolitische Handlungswille noch einmal eindrucksvoll mit einer Erklärung und einem Leitfaden zur Weiterentwicklung der ESSR untermauert worden. Die Kernbotschaft der hochrangigen Konferenz in La Hulpe, zu der die Ratspräsidentschaft Belgien eingeladen hatte, bringt die Perspektive Europas auf den Punkt: „Ein nach Außen starkes und wettbewerbsfähiges Europa muss nach innen solidarisch sein.“ Ab Juli 2024 wird es die Aufgabe Ungarns als letztes Land der Trio-Ratspräsidentschaft sein, die Initiativen Spaniens und Belgiens fortzuführen und den Übergang in die neue Legislaturperiode ratsseitig zu gestalten. Allerdings deutet der Umstand, dass Schweden und Österreich die Erklärung von La Hulpe nicht unterschrieben haben, an, dass das Interesse an einer Stärkung der sozialen Dimension Europas nachlässt.