Magazine ed*
ed* Nr. 01/2023

Klimawandel – neue Herausforde­rungen für die Sozialversicherung

Der Klimawandel wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf die Gesellschaft aus und stellt den Arbeitsschutz wie die Gesundheitsversorgung vor große Herausforderungen. Schon heute sind die Auswirkungen des Klimawandels spürbar und manifestieren sich in Starkwetterereignissen wie Stürmen, Fluten und Hitzewellen, in einer zunehmenden Prävalenz von Allergien und der Ausbreitung von zum Teil neuen Infektionskrankheiten. 

ed* Nr. 01/2023 – Kapitel 3

Klimawandel und Umweltverschmutzung haben damit einen direkten Einfluss auf die individuelle wie die kollektive Gesundheit. Es bestehen Risiken für die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, insbesondere bei Tätigkeiten im Freien, zum Beispiel im Baugewerbe und in der Landwirtschaft. Darüber hinaus stellen Arbeitsplätze in der klimaneutralen Wirtschaft neue Anforderungen an den Arbeitsschutz. So kommt – zum Beispiel für den Erfolg der Energiewende – Wasserstoff bei der Reduzierung von Kohlendioxid-Emissionen eine besondere Rolle zu. Der Einsatz dieses chemischen Elements ist jedoch nicht ungefährlich und bringt neue Herausforderungen für den Arbeitsschutz mit sich. Aufgrund der notwendigen Gebäudesanierungen gewinnen auch die von Asbest ausgehenden gesundheitlichen Gefahren an Aktualität. Da zwischen der Exposition der Beschäftigten und dem Auftreten der gesundheitlich Folgen, wie Lungenkrebs, ein langer Zeitraum liegt, kann nicht bis zu einer Zunahme der Krankheitsindikationen gewartet werden. ­Vielmehr ist schnelles Handeln ­gefordert.


Auch Ereignisse, die außerhalb der EU stattfinden, wie beispielsweise eine Ausdehnung von Steppen und ­Wüsten aufgrund langanhaltender Dürren, können sich indirekt auf die europäische Gesellschaft auswirken, etwa durch das Auslösen starker Migrationsbewegungen oder Störungen der Lieferketten. Vom Klimawandel ausgelöste Ereignisse können sich somit in der Beschäftigungsentwicklung und der wirtschaftlichen Entwicklung ­insgesamt niederschlagen. Damit ist auch die Finanzierungsbasis der Sozial­versicherungssysteme und deren Resilienz betroffen. Dies gilt für umlagefinanzierte sowie für kapitalgedeckte Systeme.


Studien belegen darüber hinaus, dass ärmere Menschen häufig in einer stärker belasteten Umwelt leben und arbeiten. Daraus entstehen oft erhebliche soziale sowie gesundheitlich bedingte Folgekosten. 


Eine Reduzierung der mittel- und langfristigen Folgen des Klimawandels trägt deshalb nicht nur zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft, sondern auch zu einer langfristigen Entlastung der Sozialversicherungssysteme bei.1


Die Sozialversicherung in Deutschland wird sich ihrer Verantwortung stellen und den CO2-Fußabdruck bei Adminis­tration und Leistungserbringung entlang klar formulierter Ziele hin zur Klimaneutralität systematisch reduzieren. Aber auch Produktstandards und die Berücksichtigung von Umweltkriterien im Rahmen der gemeinsamen Beschaffung könnten einen wesentlichen Beitrag leisten. So machen pharmazeutische Produkte 20 Prozent der Emissionen im Gesundheitsbereich aus. Gemeinsame Standards – auch im Arbeitsschutz – müssen angepasst oder neu entwickelt werden. Hier ist ein gemeinsames Handeln auf EU-Ebene gefordert, dass sich nicht auf Forschung und den Austausch von Best-Practice Beispielen beschränken darf. 


Auf europäischer Ebene sind bereits Initiativen gestartet. Mit der Chemikalienstrategie sollen zum einen sichere, nachhaltige Chemikalien stärker gefördert und zum anderen Menschen und Umwelt vor gefährlichen Stoffen besser geschützt werden. Hier werden verschiedene Regelungen angesprochen, so unter anderem die Überarbeitung der Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH).2 Aber auch die Exposition von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegenüber Asbest hat die EU im Blick und im vergangenen Jahr bereits eine Überarbeitung der europäischen Regeln vorgeschlagen, um die aktuellen Grenzwerte anzu­passen.