Gewerkschaftliche Rezepte
gegen Ausbeutung
ed* Nr. 01/2025 – Kapitel 6
Unterstützung finden Betroffene bei Beratungsstellen wie Faire Mobilität, einem Beratungsnetz vom Deutschen Gewerkschaftsbund, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Jahr 2011 als Projekt ins Leben gerufen worden ist. Hilfe gibt es auch beim Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen (EVW) oder dem PECO-Institut. Meistens geht es in der Beratungsarbeit um Lohnbetrug, daneben um die fehlende Sozialversicherung. Gewerkschaften wie die IG Bau unterstützen die Betroffenen auch beim Eintreiben ihrer Löhne im Rahmen der Generalunternehmerhaftung, wenn Subunternehmer durch Prüfungen von Staatsanwaltschaften und dem Zoll verhaftet werden.
Die Forderungen der Gewerkschaften lauten: starke Tarifverträge, mehr und bessere Kontrollen, verbindliche Prüfungen schon bei der Auftragsvergabe, eine bessere Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, mittelfristig eine einheitliche Arbeitsinspektion, ein arbeitsrechtliches Verbandsklagerecht für Gewerkschaften sowie eine verbindliche Begrenzung der Subunternehmerketten. Auf europäischer Ebene sollte die Zusammenarbeit der Kontrollbehörden in den beteiligten Mitgliedstaaten verbessert und die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) gestärkt werden. Die Vorab-Notifizierung der A1 soll bis auf wenige Ausnahmen verpflichtend werden, um Kontrollen vor Ort effektiver zu machen.1 Des Weiteren empfehlen die Gewerkschaften zur Bekämpfung des Sozialversicherungsmissbrauchs digitale Tools.

Faire Mobilität bleibt für zu viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein leeres Versprechen, solange es keine wirksamen Kontrollen oder einen grenzüberschreitenden Informationsaustausch in Echtzeit gibt. Wer A sagt zu einem europäischen Arbeitsmarkt, muss auch B sagen zu besserer Koordinierung der sozialen Versicherungssysteme und Übertragbarkeit von Ansprüchen.“
Auch die Berichterstatterin des Dossiers zur Revision der Verordnung zur Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme, Gabriele Bischoff (S&D), setzt sich für eine verpflichtende Vorab-Notifizierung der A1-Bescheinigung ein. Kritiker wehren sich dagegen und möchten eine damit einhergehende Überbürokratisierung vermeiden. Von der Digitalisierung des A1-Verfahrens erhoffen sich viele eine Entschärfung des Konflikts und endlich eine Einigung im Rahmen der stockenden Verhandlungen zur Reform der europäischen Regelungen. Unter Beteiligung deutscher Sozialversicherungsträger wird aktuell im Rahmen von zwei Projekten zum Europäischen Sozialversicherungspass (ESSPASS) daran gearbeitet, das A1-Verfahren komplett digital umzusetzen.
Elektronische Kontrolle – es gibt gute Beispiele in Europa
Digitale Kontrollinstrumente gibt es vereinzelt schon heute. Zum Beispiel auf dem Bau. Schweden setzt – wie auch Finnland – auf einen elektronischen Zugang zur Baustelle, der zudem eine Kontrolle der Qualifikationsnachweise sowie bei nicht-schwedischen Arbeitnehmern die Gültigkeit der A1-Bescheinigung und der EU-Aufenthaltsgenehmigung ermöglicht. Die Kontrolle des Status der Beschäftigten steht in Österreich im Vordergrund. Über die Bau ID sind tagesaktuell alle für Prüfungen durch die Kontrollbehörden notwendigen Daten individuell abrufbar.Auch Belgien, Litauen und Rumänien verwenden Social ID-Cards2.
Europäische Arbeitsbehörde (ELA)
Die ELA soll den Mitgliedstaaten helfen, die Regelungen der EU zur Mobilität von Arbeitskräften – Freizügigkeit, Entsendung, Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – auf gerechte, einfache und effektive Weise anzuwenden. 2021 ist die Behörde in die Organisation von Kontrollen und Inspektionen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit eingestiegen; zunächst im Güterkrafttransport, dann im Bausektor. Das Europäische Parlament will, dass sie dies künftig auch auf eigene Initiative tut.3 Zudem soll ihr Kompetenzbereich auf Beschäftigte aus Drittstaaten ausgeweitet werden. Für diese Personengruppe darf sie derzeit nicht handeln.