Wettbewerb und Wohlstand brauchen
faire Arbeitsbedingungen
ed* Nr. 01/2025 – Kapitel 2
Unter dem Eindruck des aufrüttelnden Berichts zur Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union (EU) des ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat die Europäische Kommission am 29. Januar ihren „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ vorgestellt. Darin unterstreicht sie als einen Schwerpunkt zur Stärkung Europas Wettbewerbsfähigkeit die Bedeutung einer fairen Mobilität sowie die Anwerbung und Integration qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland. Der demografische Wandel setzt die Arbeitsmärkte zunehmend unter Druck. Deutschland und Europa sind immer mehr auf gut ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen, wenn sie Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand erhalten wollen. Gute Arbeitsbedingungen, adäquate Gesetze und eine effektive Durch- und Umsetzung der geltenden Regeln sind dafür unumgänglich.

Gräfenhausen – mehr als Tanken und Rasten
Wenn Europa Menschen aus dem Ausland anziehen will, muss es attraktive Arbeitsplätze bieten. Da müssen Lohn und Rahmenbedingungen stimmen. Gegenwärtig ist dies nicht immer gegeben. Das wurde 2023 auf der Autobahnraststätte Gräfenhausen an der A5 in der Nähe von Darmstadt sichtbar. Bis zu 120 Fahrer hatten dort für die Auszahlung ihrer Löhne protestiert, 30 von ihnen befanden sich zeitweise im Hungerstreik. Nach mehr als zwei Monaten konnte die Protestaktion beendet werden. Die Fahrer bekamen einen Teil ihres Geldes; allerdings nicht von ihrem polnischen Auftraggeber, sondern von Akteuren aus der Lieferkette. Es war der zweite Streik dieser Art.1
Laute Proteste sind die Ausnahme. Meist bleiben die Menschen – viele kommen aus Beitrittsländern des Balkans und Nicht-EU-Ländern wie Georgien, der Ukraine, Belarus, Aserbaidschan, Usbekistan, Afghanistan, Syrien, Irak, Indien, den Philippinen und aus Afrika – im Hintergrund. Sie kennen weder ihre Rechte, noch sprechen sie unsere Sprache. Auf die niedrigen Löhne sind sie oft angewiesen, da es in ihrer Heimat keine Arbeit gibt, dafür aber Familien, die versorgt werden müssen. Arbeiten sie für Subunternehmen, wird es für sie schwer, einen Verantwortlichen zu finden.