Magazine ed*
ed* Nr. 02/2018

Briten ade, scheiden tut weh –
ein Abschied vom freien Personen- und Waren­ver­kehr?

ed* Nr. 02/2018 – Kapitel 2

Nach 44 Jahren Mitgliedschaft wird das Vereinigte Königreich Ende März 2019 die EU verlassen. Dies war der Wunsch einer knappen Mehrheit der britischen Bürgerinnen und Bürger, die sich 2016 an dem Referendum beteiligt haben.  

 

Den Preis, den beide Seiten dafür zahlen müssen, verhandelt die EU-Kommission für die 27 Mitgliedstaaten mit dem Vereinigten Königreich. Ein Prozess, der sich von den gängigen Verfahren in der EU unterscheidet. Während die EU-Kommission sich üblicherweise um die Möglichkeiten der Vertiefung der wirtschaftlichen und sozialen Integration verschiedener Staaten Europas bemüht, geht es in den Verhandlungen zum Brexit um die Auflösung von Bestehendem. 

 

Nur wenige Tage nach dem 60. Geburtstag der EU hat die britische Premierministerin, Theresa May, den Europäischen Rat formell über die Absicht des Vereinigten Königreichs, aus der EU auszutreten, informiert. Damit wurde das in Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) vorgesehene Verfahren für den Austritt von Mitgliedstaaten eingeleitet. Die mit dem Vertrag von Lissabon eingeführte Vorschrift sieht vor, dass „jeder Mitgliedstaat im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen kann, aus der Union auszutreten“. Es handelt sich dabei also nicht um einen Antrag, sondern um eine einseitige Erklärung. 

 

Mit der Austrittserklärung begann eine Verhandlungsfrist von zwei Jahren, in denen die Einzelheiten des Austritts geregelt werden sollen. Konkret geht es hier um die Behandlung von Sachverhalten, die bereits in der Zeit vor dem Austritt angelegt sind und in denen das Vereinigte Königreich noch Mitglied der EU ist. Außerdem soll es für die Zeit nach der Unterzeichnung des Austrittsabkommens bis zum 31. Dezember 2020 eine Übergangszeit geben, in der besondere Regelungen gelten sollen. Darauf hatten sich Michel Barnier, Chefunterhändler für die EU-27, und der seinerzeitige Brexit-Unterhändler des Vereinigten Königreichs, David Davis, geeinigt. Eine Übergangsphase wird es damit nur geben, wenn sich die Parteien auf ein Austrittsabkommen einigen, es soll ein Gesamtpaket geschnürt werden.  

 

Stimmen aus Europa zu den Austritts­ver­hand­lungen

Michel Barnier

Michel Barnierist seit 2016 Beauftragter der EU-Kommission für die Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich

„Wir werden die Arbeit fort­setzen, wobei wir im Blick behalten, dass alle Punkte Bestand­teil desselben Abkom­mens sind und deshalb zusammen beschlossen werden sollten. Ich möchte noch hinzu­fügen, dass Rechts­si­cher­heit zu allen Punkten, einschließ­lich der Überg­angs­phase, die Bestand­teil dieses Abkom­mens ist, erst mit der Rati­fi­zie­rung des Austritts­ab­kom­mens auf beiden Seiten zustande kommt. Nichts ist verein­bart, bis nicht alles verein­bart ist.“

Donald Tusk

Donald TuskPräsident des Europäischen Rates

„Die EU-27 hat zur Kenntnis genommen, was bisher erreicht worden ist. Aller­dings liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, und die schwie­rigsten Aufgaben sind nach wie vor nicht gelöst. Wenn wir bis Oktober zu einer Verein­ba­rung kommen wollen, brau­chen wir schnelle Fort­schritte. Dies ist der letzte Aufruf, die Karten auf den Tisch zu legen.“

MdEP Elmar Brok (DE, EVP)

MdEP Elmar Brok (DE, EVP)ist ein deutscher Politiker und Mitglied des Europäischen Parlaments und des Brexit-Lenkungsausschusses

„Das Ausscheiden des Verei­nigten König­reichs (VK) aus der EU im März 2019 bringt sowohl für die EU als auch für das VK große, vor allem ökono­mi­sche Heraus­for­de­rungen mit sich. Selbst­ver­ständ­lich ist es für die EU einfa­cher, den Verlust zu verkraften, stehen doch weiterhin 27 EU-Staaten zusammen, als für das VK, das in Zukunft auch für die EU zum Dritt­land wird und somit auto­ma­tisch aus allen EU-Vorteilen und dem Binnen­markt heraus­fällt. Gewinner wird es durch den Brexit keine geben, jedoch wird das VK durchaus härter getroffen als die EU. Wir können nur versu­chen, den Schaden so gering wie möglich zu halten.“

Die Austrittsverhandlungen nach Artikel 50 EUV sind sowohl formal- als auch materiellrechtlich eine „Premiere“ und politisches Neuland für die EU, da sie üblicherweise mit beitrittswilligen Partnern verhandelt. In der Vergangenheit hatte lediglich Grönland nach einer Volksabstimmung die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) verlassen. Die Verhandlungen zogen sich seinerzeit über sieben Jahre und wurden schließlich durch die Verordnung (EWG) Nr. 1661/85 geregelt. 

 

Das Austrittsabkommen wird von den Mitgliedstaaten im Rat diskutiert. Auch das EU-Parlament hat eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen, da ein entsprechendes Austrittsabkommen nicht nur vom Rat, sondern auch vom Plenum des EU-Parlaments gebilligt werden muss (Artikel 50 Absatz 2 EUV). Zur Vorbereitung der entsprechenden Positionen wurde unter dem Vorsitz von Guy Verhofstadt (BE, ALDE) die Lenkungsgruppe „Brexit“ ins Leben gerufen, die sich im Laufe des Verfahrens zu den entsprechenden Vorschlägen regelmäßig äußert.1 

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