Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
mit der Idee, einen Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space – EHDS) zu schaffen, hat die Europäische Union (EU) im Mai dieses Jahres ein Großprojekt begonnen. Alle EU-Bürgerinnen und Bürger sollen künftig ihre Gesundheitsdaten nutzen können, wenn sie sich in einem anderen Land aufhalten, zum Beispiel im Urlaub oder auf Geschäftsreise.
ed* Nr. 02/2022 – Kapitel 1
Eine Ärztin in Spanien könnte dann mit wenigen Klicks die Krankengeschichte, die Medikation oder verschiedene Untersuchungsergebnisse von ihren Patientinnen und Patienten aus einem anderen Land einsehen – und zwar in ihrer Landessprache. Sie muss dann nicht Untersuchungen, zum Beispiel Röntgenbilder, wiederholen. Dies schützt die Patientinnen und Patienten und spart auch Kosten.
Das soll aber nicht alles sein. Wurden Gesundheitsdaten einmal erhoben, sollen sie auch für die Wissenschaft, Industrie, öffentliche Institutionen und die Politik nutzbar gemacht werden. Wichtige Daten könnten damit grenzüberschreitend bei der Entwicklung von Medikamenten für seltene Krankheiten oder Medizinprodukten verwendet werden. Aber auch die Politik soll davon profitieren und auf einer breiten Datengrundlage bessere Entscheidungen treffen können, zum Beispiel während einer Pandemie.
Der EHDS kann die medizinische Versorgung der Menschen in der EU sicherlich verbessern. Unsere Gesundheitsdaten sind aber besonders schützenwert. Deswegen müssen höchste Anforderungen an die Sicherheit und den Schutz der Daten gestellt werden. Patientinnen und Patienten müssen die Kontrolle über ihre Daten behalten dürfen und selbst bestimmen können, welche Informationen in ihre Patientenakte aufgenommen werden und welche sie freigeben.
Das ursprüngliche Ziel, bis zum Jahr 2025 das Projekt zum Laufen zu bringen, kann sicherlich nicht eingehalten werden. Auch wenn es bereits in Teilen auf vorhandene Kooperations- und Projektstrukturen aufbaut, sind viele praktische Herausforderungen zu bewältigen. Unter anderem müssen die sehr unterschiedlichen Digitalisierungsinfrastrukturen in den Mitgliedstaaten auf ein gemeinsames Niveau gebracht und einer gemeinsamen Daten-Governance unterstellt werden. Aber auch unterschiedliche Verständnisse über Datennutzen und Datenschutz müssen in Einklang gebracht werden.
Wie das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten diese Hürden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bewältigen werden, zeigen die kommenden Monate. In unserem aktuellen Magazin ed* möchten wir schon heute einen Blick auf den EHDS werfen und Ihnen zeigen, welche Herausforderungen auf die Mitgliedstaaten und uns als Sozialversicherungsträger zukommen.
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.
Ihre Ilka Wölfle