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ed* Nr. 02/2022

Unterschiedliche Dateninfrastrukturen 

Für den grenzüberschreitenden Datenaustausch müssen die bestehenden nationalen Infrastrukturen über die europäische Dateninfrastruktur HealthData@EU miteinander verknüpft werden. Doch diese Strukturen unterscheiden sich in den Mitgliedstaaten zum Teil erheblich.

ed* Nr. 02/2022 – Kapitel 6

Das betrifft unter anderem die Datenqualität und die Datenformate sowie behördliche Zuständigkeiten. Daneben sind in rechtlicher Hinsicht neben der DSGVO unterschiedliche nationale Vorschriften zu Gesundheits- und Forschungsdaten zu beachten. In Deutschland sind dies etwa Regelungen zum Sozialdatenschutz im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) oder die Datenschutzregelungen in den Landeskrankhausgesetzen. 

Anders als in Finnland oder Frankreich, werden die Daten der deutschen Sozialversicherung dezentral vorgehalten. Festgelegt ist auch, wer die Daten verwenden darf. Es gibt nur einen kleinen Nutzerkreis. Eine kommerzielle Nutzung ist nicht vorgesehen. 


Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung werden für jeden Versicherten die persönlichen Angaben wie Alter, Geschlecht, Wohnort, sowie sämtliche Kosten- und Leistungsdaten zusammengeführt. Der GKV-Spitzenverband fungiert als Datensammelstelle und übermittelt die Daten pseudonymisiert an das ­Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ Gesundheit) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das FDZ Gesundheit erarbeitet Datensätze, die auf Antrag den Nutzungsberechtigten verfügbar gemacht werden. Darüber hinaus stellt der Gemeinsame Bundesausschuss die Daten aus der Qualitätssicherung in den Krankenhäusern für Forschungszwecke zur Verfügung. 


Die Datensätze der gesetzlichen Rentenversicherung speisen sich aus den Daten des statistischen Berichtswesens. Die Rentenversicherungsträger unterhalten gemeinsam eine Datenstelle bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund). Gespeichert werden die ­Sozialdaten – vornehmlich zu Gehalt, Renten, Rehabilitationsleistungen – nach strikten Auflagen unter Aufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Der Zu­­griff auf gesundheitsrelevante Daten ist auf die Fall­bearbeitung beschränkt. Das Forschungsdatenzentrum der Rentenversicherung (FDZ-RV) ist eine Einrichtung der DRV Bund und stellt seit 2004 der Wissenschaft und Forschung Mikro­datensätze nach transparenten und standardisierten Regeln in anonymisierter Form zur Verfügung. Diese sind für die Wissenschaft relevant, da sich die Datensätze auf die Gesamtheit aller Versicherten beziehen und von hoher Aussagekraft sind. Sie ermöglichen auch differenzierte Erkenntnisse bei Fragestellungen, die sich nur auf kleine Personengruppen beziehen.


Das Siebte Sozialgesetzbuch (SGB VII) beschreibt den Rahmen für So­­zialdaten im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Unfallversicherungsträger dürfen die Sozialdaten erheben und speichern, die für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben notwendig sind. Gesundheitsdaten im engeren Sinne sind maßgeblich Versicherten-, Leistungs- und Abrechnungsdaten sowie zu Erstattungs- und Ersatzansprüchen. Darüber hinaus verfügt die Unfallversicherung über einen Fundus an Präventionsinformationen, der Daten zur Verhütung von Versicherungsfällen, Abwendung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren sowie zu Risiken und Gesundheits­gefahren für die Versicherten um­­fasst. Dies beinhaltet auch Forschungs­daten zur Bekämpfung von Berufs­krankheiten. 


Allein bei der Dachorganisation der Unfallversicherungsträger, der DGUV, finden sich drei wissenschaftliche Institute; das Institut für Arbeitsschutz (IfA), das Institut für Arbeit und Gesundheit (IAG) und das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA). Darüber hinaus gibt es weitere Forschungsinstitute bei einigen Berufsgenossenschaften. Während die Forschungszentren im Bereich von Rentenversicherung und Krankenversicherung Sozial- und Gesundheitsdaten aufbereiten, um sie der Wissenschaft und Forschung breit verfügbar zu machen, sieht das SGB VII nicht vor, die Daten der Unfallversicherung systematisch anderen Interessenten zugänglich zu machen. Dennoch stellt auch die DGUV Daten auf Anfrage bereit. Festzustellen ist, dass schon innerhalb eines Landes aufgrund rechtlicher Vorgaben der Umgang mit Sozial- und Gesundheitsdaten recht unterschiedlich sein kann. 


Je mehr Länder in den Blick genommen werden, desto bunter wird das Bild. Schon die wenigen Beispiele aus Finnland, den Niederlanden und Frankreich zeigen, dass die Aufgabe, Datensätze europaweit verfügbar zu machen, eine große Herausforderung ist. Für die Sekundärdatennutzung werden Kataloge über Datensätze erstellt werden müssen, deren Spezifikationen, Standards und Formate einen Datenaustausch ermöglichen. Der Aufbau des EHDS für die Sekundärdatennutzung dürfte ein langer Prozess sein, in dem sukzessive die in den Mitgliedstaaten vorhandenen Gesundheitsdatenbestände erschlossen und grenzüberschreitend verfügbar gemacht werden. Dies erfordert einen Fahrplan, mit dem in inhalt­licher wie zeitlicher Hinsicht aufgezeigt wird, wie dieser Prozess gemeinsam ­gestaltet  werden kann. Hilfestellung sollen dabei Kooperationsnetzwerke, wie die Joint Action „Towards the European Health Data Space, THEDAS“ geben. 

Die Vielfalt Europas – auch mit Blick auf die unterschiedlichen Dateninfrastrukturen und Datenschätze – wird beim Aufbau des EHDS viele Detailabstimmungen erfordern. Der Aufwand rechtfertigt sich aufgrund des erwartbar hohen Nutzens, den große Datenmengen und eine hohe Datenverfügbarkeit versprechen.

 

Klärungsbedarf gibt es aber hinsichtlich der Frage, unter welchen Rahmenbedingungen eine kommerzielle Nutzung von Gesundheitsdaten der Sozialversicherer erfolgen kann. Es wird auch darüber zu diskutieren sein, wie groß der Datenumfang für die Sekundärdatennutzung tatsächlich sein soll. Im Verordnungsentwurf zum EHDS wurden von der Europäischen Kommission Maximalvorstellungen formuliert, die sogar Verwaltungsdaten, Informationen zu Erstattungen und auch Daten aus Wellness-Anwendungen umfassen. Der weitere Gesetzgebungsprozess muss hier Grenzen setzen. Die weitere Ausgestaltung des EHDS sollte sinnvolle nationale Unterschiede in den Mitgliedstaaten weiterhin berücksichtigen. 

Vorteile für die Nutzerinnen und Nutzer des EHDS

Quelle: Europäische Kommission (2022). Mitteilung zum Aufbau eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (COM(2022)196 final), S. 16