Die neue Bundes­re­gie­rung

Was sagt der Koali­ti­ons­ver­trag von Union und SPD zu Europa?

HS – 04/2025

Am 9. April haben CDU, CSU und SPD vorgestellt, auf was sie sich in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt und für die nächsten Jahre vorgenommen haben. Insgesamt geben sich Union und SPD klar proeuropäisch und wollen künftig alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Handlungsfähigkeit und strategische Souveränität der Europäischen Union (EU) zu stärken. Außerdem bekennen sich Union und SPD zu einer effektiven, kohärenten und verlässlichen Europapolitik mit konstruktivem Gestaltungsanspruch. Mehr denn je brauche die EU ein starkes Deutschland, das sich mit europäischer Überzeugung, Ideen und Engagement einbringt.

Bekenntnis zum sozialen Europa

Der Koalitionsvertrag bekennt sich zu den Zielen, Werten und Grundsätzen der Europäischen Säule sozialer Rechte. In diesem Sinne wollen sich Union und SPD für eine EU einsetzen, die das Leben der europäischen Bürgerinnen und Bürger verbessert, faire Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und gute Tarifpartnerschaften gewährleistet sowie soziale Ungleichheiten und Armut bekämpft. Ferner unterstützen die drei Parteien – unter Wahrung der Subsidiarität – wirksame Instrumente, um faire und gut funktionierende Arbeitsmärkte und Sozialsysteme zu fördern.

Unter­stüt­zung der Arbeit­neh­mer­mo­bi­lität

Union und SPD befürworten einen europäischen Sozialversicherungsausweis mit digitaler EU-Identität (EUDI-Wallet). Die arbeitsrechtliche EU-Entsendemeldung soll durch die Reform der eDeclaration technisch erleichtert und mit dem sozialversicherungsrechtlichen A1-Verfahren gebündelt werden. Künftig sollen der Schwerbehinderten- und Rentenausweis sowie die A1-Bescheinigung digital bereitgestellt werden können. Eine europäische Arbeitslosenversicherung lehnen Union und SPD ab.

Verbes­serte Arbeits­be­din­gungen

Mit Blick auf den Arbeitsschutz sieht der Koalitionsvertrag eine Unterstützung höherer europäischer Arbeitsschutzstandards für Berufskraftfahrerinnen und -fahrer vor. Außerdem soll im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit geschaffen werden, um Beschäftigten und Unternehmen mehr Flexibilität zu ermöglichen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Zudem wird Prävention großgeschrieben. Denn nicht nur der Grundsatz „Prävention vor Reha vor Rente“ soll gestärkt werden, sondern auch die Prävention gegen psychische Erkrankungen.

Chemi­ka­li­en­po­litik als Wirt­schafts­faktor

Laut Koalitionsvertrag soll Deutschland zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort werden. In der Chemikalienpolitik befürworten Union und SPD einen ausgewogenen europäischen Regulierungsrahmen mit einem risikobasierten Ansatz, um Umwelt-, Gesundheitsschutz und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen. Dies gelte zum Beispiel bei der Überarbeitung der EU-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH). Ein komplettes Verbot bestimmter chemischer Stoffgruppen – etwa der als Ewigkeitschemikalien bekannten PFAS – wird abgelehnt. Gleichzeitig sollen die Forschung und Entwicklung von Alternativstoffen forciert und PFAS zeitnah ersetzt werden, sofern möglich.

Gesund­heits­wirt­schaft im Zeichen der Versor­gungs­si­cher­heit

Zur Stärkung der Versorgungssicherheit möchten Union und SPD Produktionsstandorte für kritische Arzneimittel und Medizinprodukte nach Deutschland und Europa zurückverlagern. Zugleich soll der Binnenmarkt gezielt weiterentwickelt werden – nicht nur in den Bereichen Energie und Telekommunikation, sondern auch bei medizinischen Produkten, in der Pharmaindustrie und der Digitalisierung. Mit Blick auf die globale Gesundheit fordern Union und SPD eine Intensivierung der Forschung zu antimikrobiellen Resistenzen und wollen eine nachhaltigere Finanzierung von Gesundheitssystemen weltweit vorantreiben.

Förde­rung künst­li­cher Intel­li­genz

Der Rechenzentrumsstandort Deutschland soll gestärkt und mindestens eine der europäischen „AI Gigafactories“ nach Deutschland geholt werden. Außerdem möchten Union und SPD prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Form Haftungsregeln bezüglich künstlicher Intelligenz auf europäischer Ebene angepasst werden müssen. Mit Blick auf die angekündigte Überarbeitung der europäischen Datenschutzgrundverordnung sprechen sich Union und SPD dafür aus, nicht-kommerzielle Tätigkeiten, kleine und mittelständische Unternehmen sowie risikoarme Datenverarbeitungen vom Anwendungsbereich auszunehmen.

Überar­bei­tung des Verga­be­rechts

Union und SPD wollen sich dafür einsetzen, das Vergaberecht auf nationaler und europäischer Ebene für Lieferungen und Leistungen aller Art für Bund, Länder und Kommunen zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren. Dazu soll das Vergaberecht auf sein Ziel einer wirtschaftlichen, diskriminierungs- und korruptionsfreien Beschaffung zurückgeführt werden und sektorale Befreiungsmöglichkeiten vom Vergaberecht (zum Beispiel im Bereich der nationalen Sicherheit) geschaffen werden.

Stär­kung des Binnen­markts

Der Koalitionsvertrag enthält ein klares Bekenntnis zum Binnenmarkt als Motor der gemeinsamen Wirtschaftskraft. Dabei muss der Wettbewerb im Binnenmarkt laut Union und SPD auf Innovation und Leistungsfähigkeit beruhen. Privates Kapital müsse mobilisiert werden, wozu es Schritte hin zu einer echten Kapitalmarkt- und Bankenunion brauche. Daneben wollen die drei Parteien unnötige Belastungen durch die europäische Ebene verhindern und setzen sich für einen umfassenden und wirkungsorientierten Rückbau der EU-Bürokratie ein.

Hand­lungs­fä­hig­keit auf EU-Ebene

Laut Koalitionsvertrag soll ein geschlossenes Auftreten der Bundesregierung gegenüber den europäischen Partnern und Institutionen sichergestellt werden. Dazu sollen mögliche Ressortkonflikte künftig möglichst früh durch eine wöchentliche Runde der beamteten Staatssekretärinnen und Staatssekretäre unter Leitung des Chefs oder der Chefin des Bundeskanzleramts („EU-Monitoring“) gelöst oder andernfalls auf Kabinettebene gehoben werden. Außerdem soll laut Koalitionsvertrag das Prinzip der verstärkten Zusammenarbeit im Sinne des Konzepts des „Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten“ stärker genutzt werden. Um den Zusammenhalt in der EU zu schützen, müsse diese vertiefte Zusammenarbeit immer allen Mitgliedstaaten offenstehen.

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